Das Klassenspiel in der 12. Klasse ist ein Höhepunkt am Ende der Waldorfschulzeit, ein Gemeinschaftserlebnis in künstlerischem Rahmen. Für die Klasse 12a stand von Anfang an fest, dass sie eine Komödie spielen wollte, kein schweres, düsteres Stück, wie oft üblich. Ernst wurde es trotzdem: Die Komödie, für die sie sich entschied, Oscar Wildes „Bunbury – oder ernst sein ist wichtig“, erscheint leicht, unverfänglich und geistreich, stellt aber mindestens so schwierige Fragen, wie manche Tragödie. Beispielsweise: Wenn Gwendolens Satz „In existenziellen Fragen ist Eleganz, nicht Ehrlichkeit das Entscheidende“ für alle gilt – und diesen Anschein erweckt das Stück eigentlich für jede Rolle – dann gerät das Leben zu einem Spiel, in dem der schöne Schein alles, das triviale Sein hingegen nichts bedeutet. Dies geht an verschiedenen Stellen im Stück auch den größten Bunburyanern zu weit, denn ernste Gefühle, wie die Liebe, wollen unbedingt ernst genommen werden! Auch hat die Kritik an der Doppelmoral der oberen Gesellschaftsschicht aus dem Mund von Lady Bracknell auf Algernon bezogen durchaus realistische Bezüge zur Gegenwart: „Er hat nichts, scheint aber alles zu haben – kann man denn mehr erwarten?“
Zuletzt löst sich das Stück quasi rückwärts selbst auf: Als alle ernsten Anliegen zu scheitern drohen, entpuppt sich der Schein schrecklich erleichternd als Wirklichkeit.
Den jungen Erwachsenen bereitete diese ästhetisch-moralische Herausforderung beim Einstudieren einerseits selbst Kopfzerbrechen, denn nichts wirklich ernst zu nehmen ist gar nicht so einfach! Andererseits sprang die Spielfreude immer mehr über, als deutlich wurde: Letztlich ist bei einer solchen Form absoluter Ästhetik eigentlich alles erlaubt. Entsprechend hat sich die Klasse äußerst selbständig beim Bühnenbild ausgetobt, Figuren und Rollenklischees genussvoll überzeichnet, eigene künstlerische Erweiterungen eingebracht und sich angeeignet (Tanz- und Kampfeinlagen) und vor allem als Klasse zu jeder Zeit gemeinsam gearbeitet, auch wenn nicht immer alle mit Proben an der Reihe waren. Dadurch entstanden das Bühnenbild, Plakate, Flyer und Programmheft, Kostüme und vieles mehr in hochwertiger Eigenarbeit. Natürlich mit Unterstützung der Eltern und hilfreicher Menschen, denen an dieser Stelle besonders gedankt sei.
Der größte Respekt ist jedoch jeder und jedem einzelnen Schauspielenden zu zollen, denn alle sind weit über sich hinausgewachsen und haben gemeinsam mit ihrer Klasse eine schauspielerische Leistung geboten, die alle Zusehenden ergriffen hat.
Wenn junge Menschen mit solchem Ernst gemeinsam das Leben gestalten, muss man sich um die Zukunft keine Sorgen machen – ein großes Kompliment an die Klasse 12a!
Johannes Schneider
(Regisseur)