Ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen gleicht einer Reise, auf die man sich gemeinsam begibt. Relativ zu Beginn dieser Reise stand bei uns die Frage, welches Stück gespielt werden sollte. Es gab konträre Präferenzen und eine gewisse Enttäuschung lag im Raum, nachdem die Entscheidungfür „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt gefallen war. Das Stück stellte einen Kompromiss dar. Doch aus der Enttäuschung entwickelte sich ein Gespräch in der Klasse und aus dem Gespräch neue Perspektiven. Ein wichtiger Schritt im Prozess des gemeinsamen Theatermachens war gegangen. Es folgten weitere.
Die Schüler entwarfen und bauten das Bühnenbild, sie organisierten Kostüme und Requisiten, das Bild für das Plakat wurde gemalt, Sponsoren akquiriert und über die Figuren gesprochen. Wir tauchten ein ins Universum „Dürrenmatt“. Er ist ein spannender Künstler und Denker. Ein Geschichtenerzähler, der uns beibringt, dem Leben mit Humor und Hingabe zu begegnen. Der uns lehrt, die Sinnlosigkeit, die uns zuweilen entgegenschlägt, eher als Sinnbefreiung zu betrachten. Der uns die eigene Lächerlichkeit enthüllt und im selben Atemzug alle Schönheit der Menschen. Als die Proben begannen, wurde deutlich, mit was für einem herrlich grotesken Stück wir es zu tun hatten. Schnell begriffen wir, wie frei wir in den Szenen sein konnten, und fanden gemeinsam einen Zugang zu Dürrenmatts Sprache und Bilderwelt. Trotz der Schwere der Thematik stellte sich im Spiel eine Leichtigkeit ein. Die Schüler ließen sich in rasantem Tempo auf das Stück ein und suchten den Humor und die Momente der Freiheit auf der Bühne. Wahrscheinlich kann ein Theaterstück, in dem es primär um die Hybris der Wissenschaft geht und um die Gefahr der menschlichen Erkenntnis, nur mit Humor erzählt werden. Für uns war der Zugang genau richtig. Das Stück ermöglicht den Blick auf das Helle in all der Dunkelheit, auf das Groteske und Komödiantische in der Tragik. So wurde unsere kurze, aber intensive gemeinsame Reise nicht von der Schwere der Thematik geprägt. Wir sind den Weg mit leichten Füßen gegangen. Intuitiv. Die Kinder der 4. Klasse haben uns begleitet und uns ihr Strahlen geschenkt. Wir hatten helfende Lehrer:innen- und Elternhände, die unsere Arbeit mitgetragen haben. Sponsoren auch.
Zu den Vorstellungen stand die Klasse als Ensemble auf der Bühne. Getragen von der Erfahrung der gemeinsamen Zeit und Arbeit. Unterstützt von den Schüler:innen an Licht und Ton.
Der Zauber des Theaters liegt darin, dass wir Menschen uns durch dieses gemeinsame Eintauchen in eine Geschichte in eine Gemeinschaft verwandeln. Wir schaffen mit der Geschichte, die wir erzählen, eine Art Möglichkeitsraum. Wenn sich dieser gemeinsame Raum auftut, dann verlässt das Publikum das Theater und ist verändert. Dann beenden wir den gemeinsamen Prozess, haben viel gelernt und sind verändert. Danke.
Pia Seiferth - Regisseurin